Kein Grund für Eifersüchteleien.
Heinrich warf den Papierstapel auf den Tisch, griff nach seiner Limonadenflasche und trat so nah ans Fenster, dass seine Stirn die kalte Glasscheibe berührte. Jeder seiner Atemzüge zeichnete ein apfelförmiges, sich schnell wieder verflüchtigendes Nebelgebilde auf das Glas, während auf der anderen Seite der Fensterscheibe die Welt langsam zur Ruhe kam. Die kleinen Läden in der Nachbarschaft und die Bürogebäude in der Ferne wurden dunkel, die Straßenlaternen leuchteten auf und die Autos durchzogen die aufkeimende Nacht mit gelben und roten Linien und tauchten die Häuserfassaden der Wohnblocks gespenstische Farben.
Das kalte Glas tat gut. Wie ein feuchtes Tuch auf einer fiebrigen Stirn beruhigte es Heinrichs Gedanken, bis er schließlich an nichts anderes mehr dachte als an die kurzlebigen Nebelbilder und die verlöschenden und neu entstehenden Lichter vor und hinter der Glasscheibe.
Ohne seine Gedanken aus der Schwerelosigkeit zu lösen, richtete sich Heinrich auf, trank den letzten Schluck seiner Limonade und wollte die leere Flasche auf der Fensterbank abstellen, als er plötzlich etwas vermisste. Er hielt in der Bewegung inne. Da war es wieder, das Gefühl, das er schon beim Betreten der Wohnung gehabt hatte, das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Er trat einen Schritt zurück und betrachtete das Fenster. Alles schien wie sonst und dennoch fehlte etwas. Heinrich blinzelte, um seinen Blick zu schärfen.
Das Fenster war von außen mit einem Muster aus getrockneten Regentropfen überzogen. Was für manche ein Grund zum Fensterputzen gewesen wäre, war für Heinrich ein faszinierendes Gebilde aus geometrisch perfekt angeordneten Kringeln, die an Fischschuppen erinnerten. Die Innenseite des Fensters trug den Abdruck seiner Stirn, schon eher ein Grund, die Fenster zu putzen. Er trat einen weiteren Schritt zurück.
Die zu Stroh vertrockneten Fensterpflanzen, die hart gewordene Erde in den Blumentöpfen und der nach Hausstaub und den Blütenpollen des vergangenen Sommers duftende Vorhang schienen unverändert. Dennoch wurde Heinrich das ungute Gefühl nicht los. Er zog die Vorhänge zu und wieder auf, und kniff schließlich die Augen zu. Dinge, die fehlten, konnte man mit geschlossenen Augen manchmal besser sehen.
Die Bilder, die nun vor Heinrichs geistigem Auge aufflackerten, weckten allerdings nicht nur Heinrichs Erinnerung, sondern auch das hinter seiner Stirn lauernde Insekt. Die Aussicht auf ein Ende der Fastenzeit ließ es rege und lebendig werden. Als der Zeck zunächst seine Fühler und Beine und den mit Widerhaken gespickten Stachel ausstreckte und dann seine Beißklauen auf und zu schnappen ließ, spürte Heinrich den Schmerz bis in seine Finger- und Zehenspitzen. Trotzdem blieb er konzentriert und suchte weiter nach der Sache, die nicht da war.
Was ihn mehr daran hinderte einen klaren Gedanken zu fassen als der Schmerz war Wilhelm. Fast jedes Bild zeigte Wilhelm. Fast jede Erinnerung hatte etwas mit Wilhelm zu tun. Um herauszufinden, dass Wilhelm verschwunden war, bedurfte es jedoch keiner sonderlichen Geistesanstrengung. Deswegen versuchte er, diese Bilder aus seinen Gedanken zu verscheuchen, bis ihm plötzlich klar wurde, dass die Antwort auf seine Frage tatsächlich in Wilhelm lag. Heinrich öffnete die Augen auf, um sich zu vergewissern, dass er sich nicht irrte.
Wenn Wilhelm am Fenster gestanden hatte, war eine seiner Lieblingsbeschäftigungen gewesen, Heinrichs Sinn für Sauberkeit zu kritisieren, indem er Linien und Formen in den Staub der Fensterbank gemalt hatte. Diese Provokation hatte jedoch nur Folge gehabt, dass Heinrich die Kultivierung von Hausstaub umso intensiver betrieb.
Heinrich sah nun deutlich, was fehlte. Nicht nur Wilhelms Kritzeleien waren verschwunden. Auf der Fensterbank lag nicht einziges Staubkorn. Heinrich ließ beinahe die Flasche fallen, als er seine schmerzenden Fingerspitzen knetete.
Das seltsame Gefühl, das ihn befallen hatte, als er beim Betreten der Wohnung das Licht eingeschalten hatte, konnte jedoch unmöglich mit dem fehlenden Staub zusammenhängen. Er drehte sich zur Wohnungstür und zuckte zusammen, als ihn erneut eine Welle der Erinnerung durchfuhr. Sie war zwar weniger schmerzlich als die davor, aber dafür umso unheimlicher in ihrer Konsequenz.
Als er wenige Stunden zuvor vom Parkplatz aus zu seinem Appartement hochgespäht hatte, war dieses hell erleuchtet gewesen. Daran erinnerte er sich genau. Bei seiner Heimkehr hatte er das jedoch Licht einschalten müssen. Auch daran erinnerte er sich genau.
Jemand war nun also während seiner Abwesenheit hier gewesen und hatte Staub gewischt, wenngleich Staubwischen sicherlich nicht sein Hauptanliegen gewesen war, und als wäre diese Erkenntnis noch nicht schauerlich genug, hatte Heinrich den Eindringling offenbar nur um wenige Stunden verpasst. Er war hier oben gewesen, als Heinrich auf dem Parkplatz die Idee gekommen war, noch einen Abstecher zu Bibliothek zu machen, bevor er in seine einsame Wohnung zurückkehrte.
Mit einem Mal befand sich Heinrich inmitten eines Tatorts und die Aufregung, die diese plötzliche Erkenntnis mit sich brachte, legte sich wie ein Verband um die Wunden, die die Erinnerungen in ihm aufgerissen hatten. Von einem Moment auf den nächsten war er ganz im Hier und Jetzt und entschlossen herauszufinden, was während seiner Abwesenheit in seiner Wohnung vor sich gegangen war.
Was auch immer der Eindringling gewollt hatte, er hatte dabei offensichtlich versehentlich Spuren auf der Fensterbank hinterlassen und somit keine andere Wahl gehabt hatte, als diese zusammen mit Wilhelms Kritzeleien im Staub wegzuwischen. Das eliminierte Wilhelm aus dem Kreis der Verdächtigen. Er hätte den Kritzeleien lediglich etwas hinzugefügt.
Heinrich stellte die Flasche ab und sah sich vorsichtig in seinem Zimmer um. Für Vorsicht war es jedoch zu spät. Obwohl er erst seit knapp zwei Stunden zu Hause war, hatte er den Tatort bereits komplett ruiniert. Er hatte nicht nur die Post vom Boden geklaubt, seine Schuhe und Socken mitten im Zimmer abgestreift, seine Jacke aufs Sofa geworfen, die Dokumente, die er von Jan bekommen hatte, auf dem Schreibtisch ausgebreitet, die Batterien im Navigationsgerät ersetzt, eine Limonade aus dem Kühlschrank genommen und sich mit Papier und Stift an der Analyse der seltsamen Textpassage versucht, sondern auch letzte Reisevorbereitungen getroffen und die überfällige Nassrasur nachgeholt und frische Kleider zurechtgelegt.
Wie die frisch geputzte Fensterbank unter Beweis stellte, hatte sich der Eindringling große Mühe gegeben, seine Spuren zu verwischen, und sollte er doch etwas übersehen haben, hatte Heinrich dies inzwischen für ihn erledigt. An eine Spurensicherung war nicht mehr zu denken.
Die im Eingangsbereich und in den Fahrstühlen des Feldwebelwohnheims angebrachten Kameras waren bei Heinrichs Suche nach dem Eindringling leider ebenso nutzlos wie der unbesetzte Empfangsschalter, an dessen Überwachungsmonitore diese Kameras ihre Bilder übermitteln hätten, wenn sie aktiv gewesen wären. Das Kamerasystem war nie in Betrieb genommen worden, so wie auch nie ein Concierge eingestellt worden war. Entweder hatte man zu spät erkannt, dass ein Wohnhaus keine Sicherheitsmaßnahmen brauchte wie ein Kaserne, oder die Mieteinnahmen deckten schlicht einen solch kostspieligen Service nicht.
Heinrich hatte schon lange kein Glück mehr gehabt. Spurensuche, Befragung eines Concierges und Abspielen von Videobändern schieden somit zwar aus, aber Heinrich sah seine Möglichkeiten damit noch nicht erschöpft. Wenngleich er wenig Hinweise zur Rekonstruktion des Tathergangs hatte, konnte er vielleicht herausfinden, zu welchem Resultat die Tat geführt hatte. Entweder war etwas entwendet, verändert oder hinterlassen worden. Heinrich wollte nicht locker lassen, bis er Licht in diese Sache gebracht hatte.
Es war naheliegend, das Fenster zuerst unter die Lupe zu nehmen. Vielleicht hatte sich der Eindringling über das Fenster Zutritt verschafft und dabei einen Fußabdruck im Fensterstaub hinterlassen. Als Heinrich das Fenster öffnen wollte, bemerkte er dass die Topfpflanzen im Weg standen. Es von außen zu öffnen, hätte demnach bedeutet, die Pflanzen auf den Boden zu werfen. Die Blumentöpfe waren jedoch heil und auf dem Boden war kein Krümel Erde zu sehen. Hatte der Eindringling etwa auch gesaugt?
Heinrich ließ das Fenster fürs erste und wandte sich seinem Staubsauger zu. Schnell hatte er den Staubsaugerbeutel entnommen und mit einem Teppichmesser dessen Innereien zutage gefördert. Darin befanden sich jedoch augenscheinlich nur Staub und Haare. Er bemerkte zu spät, dass er diese Sauerei besser nicht hätte in seinem Zimmer veranstalten sollten. Auch dass er den Beutel nicht hätte aufschneiden sollen, weil es sein letzter war, bemerkte er zu spät. Als er kräftig niesen musste, stellte Heinrich seinen vergeblichen Versuch, den Staub zurück in den Beutel zu schaufeln ein.
Zurück zum Fenster. Nachdem er die Topfpflanzen zur Seite geräumt hatte, öffnete er das Fenster, und untersuchte den Rahmen und den Rollladenkasten, beides gute Orte für die Anbringung eines Senders, den man draußen abhören wollte. Er fand jedoch nichts dergleichen und ein Blick in die Tiefe und entlang der glatten Fassade überzeugte ihn davon, dass der Eindringling nicht über das Fenster eingestiegen war.
Er schloss das Fenster und wandte sich dem Regal zu, das seine Schallplattensammlung und die wenigen Bücher, die er in München aufbewahrte, beherbergte. Sowohl die Platten als auch die Bücher, waren wie immer nach Interpret und Autor geordnet. Er machte sich sogar die Mühe, jedes Buch herauszuziehen und wie ein Daumenkino durchzublättern, und überprüfte, ob in jedem Plattencover auch die richtige Platte steckte. Er fand aber weder einen chiffrierten Code in einer veränderten Sortierreihenfolge noch einen Zettel mit einer geheimen Nachricht.
Heinrich ging auch seine Zeitschriftensammlung durch, wendete jedes einzelne Kleidungsstück und durchwühlte sämtliche Schubladen. Er stieg sogar auf einen Stuhl, um sicherzustellen, dass auf allen Schränken und Regalen eine erwartungsgemäß hohe Staubschicht lad, leuchtete mit seiner Taschenlampe unters Bett, tastete die Tapeten ab, nahm die Bilder aus ihren Rahmen, überprüfte die Boden- und Deckenleisten, hielt Papiere gegen das Licht, schraubte Lichtschalter, Steckdosen und Elektrogeräte auf. Er war in seiner Suche so akribisch, dass er schließlich sogar ein Abspielgerät für kleine Tonbandkassetten fand. Er hatte gar nicht gewusst, dass er ein solches besaß. Vermutlich gehörte es Jan. Trotzdem entfernte er die sechs Schrauben, die das Gehäuse zusammenhielten, um festzustellen, dass damit alles in Ordnung schien.
Nachdem Heinrich nicht die Wohnung selbst, sondern auch alle darin befindlichen Gegenstände in ihre Bestandteile zerlegt hatte, ohne auch nur den geringsten Hinweis auf die Identität oder Absicht des Eindringlings finden zu können, gab er auf. Er war bereits nach Mitternacht und in wenigen Stunden würde der Wecker klingeln. Er musste die Fortsetzung der Suche auf ein anderes Mal verschieben. Vielleicht würde ihm nach seiner Rückkehr aus Lettland Jan behilflich sein. Dieser bemerkte eine fehlende Seite in einem Telefonbuch, roch Lippenstiftreste an einem gespülten Trinkglas und unterschied nach Augenmaß zwischen unterschiedlichen Gewebefasern.
Zu müde, um noch in Wilhelms Tagebuch zu lesen, die Post durchzugehen oder Jans Tonbandkassette anzuhören, schraubte Heinrich lediglich die losen Elektronikteile wieder zu einem Tonbandgerät zusammen, packte dieses in seine Reisetasche, knipste das Licht aus und kämpfte sich durch die Dunkelheit und das bei seiner Suche angerichtete Chaos zu seinem Bett vor. Dort verkroch er sich tief in seine Decke und schloss die Augen. ‘Bitte, keine Träume’, war sein letzter Gedanke, bevor sein Unterbewusstsein die Kontrolle über sein Denken, Wollen und Fühlen übernahm.
Sein Traum begann wie immer dunkel, so dass die raspelnde Stimme, die ihn willkommen hieß, zunächst das Einzige war, was er wahrnahm. Es war allerdings keine freundliche Stimme, die ihn begrüßte, sondern ein kaltblütiges Lechzen. Dennoch folgte Heinrich der Stimme, weil sie in dieser dunklen Leere, in der es für ihn weder oben noch unten gab, das Einzige war, woran er sich festhalten konnte. Sie gab ihm ein Gefühl der Schwerkraft, weswegen er erst gar nicht versuchte, gegen den Sog, der von ihr ausging, anzusteuern. Er wusste aus Erfahrung, dass die Schwerkraft am Ende sowieso siegte.
Je näher er der Stimme kam, desto mehr gewann sie an Substanz. Was am Anfang nur akustisch vernehmbar gewesen war, hatte sich schnell zu einer Anziehungskraft entwickelt, die wiederum bald als heller Punkt in der Ferne sichtbar wurde. Während Heinrich mit zunehmender Geschwindigkeit auf diesen Punkt zu fiel, wurde dieser zunächst immer größer und strahlender, bis er Heinrich so stark blendete, dass dieser die Hände vor die Augen schlug. Als er kurz darauf vorsichtig zwischen seinen Fingern hindurch spähte, hatte das Strahlen nachgelassen. Dafür spürte er plötzlich festen Boden unter seinen Füßen und warmes Sonnenlicht auf seiner Haut. Er roch Gras und hörte Wasser. Kein lautes Rauschen, sondern ein leises Tropfen, ein Rinnsal. Die Stimme hingegen hört er nicht. Erleichtert nahm er die Hände runter und schaute sich um.
Was er sah, kam ihm bekannt vor: kurzes, borstiges Gras, zwischen Schutt und Geröll wachsende Wildblumen, ein steil abfallender Hang und mit Flechten überzogene Steine, die wie kleine Landkarten aussahen. Er befand sich auf einer der verborgen Steilhangwiesen, zu denen Wilhelm ihn manchmal gebracht hatte.
In den Bergen gab es Hochtäler, die so schmal und steil und unwegsam waren, dass sich dort niemals Menschen angesiedelt hatten und sich auch nur selten welche dorthin verirrten. Man konnte diese geheimen Bergoasen zwischen Baumgrenze und ewigem Eis nur mit geübter Kletterei oder in Begleitung eines erfahrenen Bergführers erreichen. Im Gegensatz zu den satten Almwiesen unten im Tal hatten die Berghänge weit oberhalb der Baumgrenze nur wenige Wochen Sommer im Jahr und in den schmalen Bergeinschnitten, die an den engsten Stellen nur wenige Dutzend Meter breit waren, schien die Sonne nur wenige Stunden am Tag. Dennoch bevölkerten Insekten, Spinnen und Blumen die steinigen Wiesen.
Heinrich hatte die genügsamen Tiere und robusten Pflanzen stets für ihre Zähheit bewundert und um ihr Stück Himmel beneidet, das zwar nur ein schmaler blauer Streifen zwischen zwei steil aufragenden, nackten Felswänden war, aber ihnen allein gehörte.
Manchmal waren auch Falk und Anna mit von der Partie gewesen. Ein Ausflug zu den Schattentälern war stets ein Wettrennen gegen die Zeit gewesen. Verpassten sie das kurze Zeitfenster, in dem die Sonne schien, waren die Täler düster, feucht und kalt, kurz: ein lebensfeindlicher Ort, den sie möglichst schnell wieder verlassen wollten. Schafften sie es jedoch zur rechten Zeit, fanden sie sich in einem Wunderland wieder, dem die Sonne spürbar Leben einflößte.
Heinrich schloss die Augen und hob seinen Kopf. Anstatt wärmender Sonnenstrahlen spürte er jedoch eine beißende Kälte. Er öffnete die Augen wieder, doch es war als hätte jemand die Sonne ausgeknipset und sie durch einen Stern ersetzt, der Dunkelheit und Kälte ausstrahle. Blind wich Heinrich ein paar Schritte zurück, bis er stolperte und fast fiel. Der Boden war zwar nicht mehr abschüssig, aber die borstige Wiese war einem holprigen Untergrund aus aufgerissenem Erdreich gewichen. Da er nichts sehen konnte, tastete Heinrich die Umgebung ab und gab sich Mühe, gegen die aufkeimende Angst anzukämpfen, doch in diesem Moment bemerkte er, dass er gerade starb. Diese Erkenntnis bohrte sich so tief und kalt in seine Brust, dass er fast benommen vor Schmerz zurücktaumelte.
Henrich spürte, wie sein Körper schwächer wurde und langsam mit der ihn umgebenen Dunkelheit verschmolz. Während sich sein Körper ausgehend von seiner Brust auflöste, gewann sein Augenlicht an Kraft, bis es schließlich die Nacht durchdrang.
Die Nacht war leer, aber am Rand der Leere stand ein Dutzend schweigsamer, einbeiniger Gestalten, dunkler als die Schwärze der Nacht und deswegen als Schatten zu erkennen. Heinrich rief so laut er konnte um Hilfe, doch sie regten sich nicht, sondern standen nur da und schauten ihm beim Sterben zu. Heinrich war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er wirklich um Hilfe gerufen hatte. Er hatte es versucht, aber er war inzwischen viel zu schwach, um die Lippen zu bewegen. Kurz bevor er zu schwach wurde, um über seine Situation nachzudenken, antwortete ihm unvermittelt eine schluchzende Stimme: »Es tut mir leid, aber Du hast selbst gesagt, dass alles hier enden muss.« Die Stimme klang so vertraut in Heinrichs Ohren, dass die Wunde in seiner Brust erneut aufflammte. Das kurze, schmerzhafte Aufglühen gewährte Heinrich jedoch einen kurzen Blick in die Dunkelheit, als wäre es heller Tag. Von dem Lichtblitz geblendet sah er eine zierliche, weiße Gestalt. Heinrich dachte, es wäre ein Engel, bis er erkannte, dass was er zunächst für einen Flügel gehalten hatte, in Wirklichkeit langes wehendes Haar war. Dann war es vorbei.